Bourgois Bohème

Während hierzulande Wir nennen es Arbeit weiterhin grosse Aufmerksamkeit erfährt und sich nicht wenige freuen, endlich Worte für ihr Tun gefunden zu haben, beschäftigt man sich in Frankreich auch wieder mit der Bohème. Mit den Bobos wird nun abgerechnet. Vermeintlich.

Das Lifestyle Kulturmagazin Technikart fragte in seiner Ausgabe von letzter Woche besorgt: „Muss man den Bobos den Rest geben?“. Auch Renaud, der altersmilde Sozialocker vom Dienst, beschäftigt sich bei seinem Comeback mit der Bürgerlichen Bohème:

Ils lisent Houellebecq ou Philippe Djian,les Inrocks et Télérama,
Leur livre de chevet c’est Surand
Près du catalogue Ikea.
Ils aiment les restos japonais et le cinéma coréen
passent leurs vacances au cap Ferret
La côte d’azur, franchement ça craint
Ils regardent surtout ARTE
Canal plus, c’est pour les blaireaux
Sauf pour les matchs du PSG
et d’temps en temps un p’tit porno

Renaud: Les Bobos
(Böhmendirekt)

Bemerkenswert übrigens die Vermarktung des neuen Albums von Renaud, das von Null auf Eins in die französischen Charts schoss. In einer Reihe von Clips tritt er gemeinsam mit Vincent Delerm auf, dessen Musik er als typische Bobo-Musik bezeichnet. Beide vermarkten so wechselseitig ihr neues Album. Delerm, noch keine 30, wird der „Nouvelle Scène“ zugerechnet, während der 54jährige Renaud gerade im Bobo-Milieu tatsächlich grosse Erfolge feiert.

Es passt also alles am Ende wieder zusammen und niemandem wird weh getan. Ein bisschen augenzwinkernde Selbstkritik – soviel Zeit muss sein. Zwischen Bio-Einkauf und Parkplatzsuche.

Nebenbei: Wenige Tage vor der Veröffentlichung der Alben tauchten die recht unterhaltsamen Clips bei Youtube auf. Ob sie auch im TV oder Kino gelaufen sind, weiss ich leider nicht:


Hör zu, als ich in Deinem Alter war hab ich immerhin schon „Laisse Béton“ und „Dans Mon HLM“ veröffentlicht…“
(Direktmarketing)


Und das wird veröffentlicht?
(Direktmarketing2)

Veröffentlicht von Andreas

Andreas Schepers leitet die Kommunikation des Berliner Labors des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz, DFKI. Hier schreibt er privat über Dinge, die ihn interessieren: Astronauten, Pop, etc... und KI.

Beteilige dich an der Unterhaltung

3 Kommentare

  1. ertappt … liegt es daran dass ich so frankophil bin ? mann mann mann, houllebecq, dijan, ARTE, trifft alles haarklein zu … und jetzt? soll ich diese musik, dieses lied kaufen, downloaden, … ich kauf ja nur CDs, MP3s geht gar nicht, ist das auch typisch Bobo?

  2. die ganze welt hat längst mit den digerati, bobos, yupstern und wie sie auch heissen mögen abgerechnet. in deutschland kann keiner über den tellerrand hinaus schauen weswegen sich das hier nun unter dem neuen hyperaffirmativen begriff blendend verkauft. selbst das frustrierte prekariat fühlt sich angesprochen oder wird es als solches:
    http://sum1.onreact.com/index.php?p=972

  3. Ich bin seit jahren renaud-Fan und kann nur sagen:
    Das neue Album lohnt sich.
    Er ist (Gott-sei-Dank) wieder der ALte und übertrifft sich mit seinen Texten ein ums andre Lied.
    Gleichzeitig erzählt er sich selbst.
    Ich denke, er hätte die Vermarktung nicht wirkllich gebraucht, das dient eher dem Vincent Delerm ,von dem er sehr viel hält.
    Auf Platz eins wäre er wohl auch ohne viel Werbung hochgeschossen.
    Bin mal gespannt auf die Tournee,hab mir gleich mal me Karte gesichert :-)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.